Wenn «Life» dem «Work» den Rang abläuft
11.05.2023 Frick, Gewerbe
GV des Gewerbe Region Frick-Laufenburg
Eine der wichtigsten Aufgaben des regionalen Gewerbes sei es, Schulabgänger für eine Berufslehre zu gewinnen, betonte Präsidentin Franziska Bircher an der Generalversammlung des Gewerbe Region Frick-Laufenburg (Geref).
Simone Rufli
130 Personen – wesentlich mehr als sich im Vorfeld angemeldet hatten – darunter Vertreter von 78 stimmberechtigten Mitgliederfirmen, fanden sich am Dienstagabend im Zirkuszelt auf dem Ebnet zur Generalversammlung des Gewerbe Region Frick-Laufenburg (Geref ) ein. Vereinspräsidentin Franziska Bircher blickte auf ein aktives Vereinsjahr zurück; «eins, in dem man wieder Anlässe organisieren durfte. Und das haben wir sehr gerne getan.» 2022 sei das Jahr des Aufschwungs nach der Corona-Pandemie gewesen, «umso mehr bedrücken Dinge, wie der drohende Blackout, die Energie-Preispolitik und die Situation des Arbeitskräftemangels». Während die Sorgen um die Stromversorgung eine Erscheinung der Neuzeit sind, sei es für die Handwerksbetriebe auch früher schon nicht einfach gewesen, an genug und geeignete Arbeitskräfte zu kommen.
Probleme gab es schon immer
Die Präsidentin war bei der Recherche für einen Beitrag für den im letzten November erschienenen 14. Band der Fricker Dorfgeschichte «Frick – Gestern und Heute», tief in die Geschichte des lokalen Gewerbes eingetaucht, dabei auf eine Fricker Handwerkerschule gestossen, auf die Anfänge der gewerblichen Vereinigung – erstmals erwähnt anno 1897 – und auf alte Protokolle. Probleme habe es damals schon gegeben, von Work-Life-Balance sprach niemand. Heute schon, und zwar so laut, dass sich Franziska Bircher einen Seitenhieb auf die Generation Z (geboren 1997-2012) nicht verkneifen konnte. Vieles deute darauf hin, dass die Gesellschaft auf ein Zeitalter zusteuere, in dem «Life» über allem stehe und «Work» das Nachsehen habe. «Wird aus Work-Life-Balance die Life-Work-Balance?»
Keine Frage, sondern bereits traurige Tatsache sei: «Der Arbeitskräftemangel wird uns weiter begleiten, und zwar in allen Bereichen», so Franziska Bircher. Umso wichtiger sei es, dass der Geref sein schon jetzt im Kanton beispielloses Bemühen um Schulabgänger und künftige Lernende weiter intensiviere und entsprechende Plattformen biete. Mit Blick auf die Tischmesse vom kommenden Wochenende – sie beginnt bereits am Freitagabend – erinnerte Patrick Uebelmann an die Chance, die sich innerhalb von «Schule trifft Wirtschaft» den Firmen bietet, wenn gegen 50 Berufe präsentiert und erste Kontakte geknüpft werden. Ein weiteres Beispiel: Die Berufsbildungstage im April, wo an drei Tagen rund 300 Schülerinnen und Schüler sich in Vorstellungsgesprächen üben konnten.
Gewerbler in den Nationalrat
Eine Chance für das Gewerbe seien auch die Wahlen im Herbst, betonte Bircher und rief dazu auf, die Nationalrats-Kandidaturen aus dem Gewerbe zu unterstützen. Apropos Wahlen: Evelyne Wernli, im Vorstand seit 2020 und mittlerweile Gemeinderätin in Mellingen, trat aus dem Vorstand zurück. An ihre Stelle gewählt wurde Michael Schmid, bisher als Fotograf und Webmaster für den Geref im Einsatz.
Intensiv im Einsatz ist derzeit Beni Stöckli, der OK-Präsident warb für die dreitägige «Gewerbe vor Ort» (15.-17. September) auf dem Ziegeleiareal in Frick. «Wir sind heiss, uns vor Ort präsentieren zu können», so Stöckli. Trotz niedriger Temperatur im 1500 Personen fassenden Zelt war Gastgeber Marc Jäger, CEO der Raiffeisenbank Regio Frick-Mettauertal, zu Beginn der Veranstaltung mit einem warmen Applaus bedacht worden. Warme Worte gab es nach dem geschäftlichen Teil von Andreas Meier vom AGV-Präsidium (Aargauischer Gewerbeverband). Der Geref sei mit all seinen Aktivitäten, dem initiativen Vorstand und den engagierten Mitgliedern ein Leuchtturm im Kanton, so Meier. Und in Anspielung auf die Örtlichkeit: «Wir sind gefordert Zelte zu bauen nicht Paläste – das meint, das Aargauer Gewerbe soll f lexibel bleiben, um auf künftige Herausforderungen reagieren zu können.»
«Die nächste Stunde würde mir gehören, wenn ich jede Zahl kommentieren würde», meldete sich Finanzchefin Daniela Müller zu Wort und entschied sich dann für die Variante «human», wie sie lächelnd sagte: 121 494 Franken Einnahmen durch Mitgliederbeiträge, 35 965 Franken Verlust, zurückzuführen auf den beabsichtigten Kapitalabbau im Bereich Verkauf und Dienstleistungen und für «Gewerbe vor Ort» werde mit einer schwarzen Null gerechnet. Zügig vonstatten ging dann auch das Fazit von Revisor Cornel Wehrli. Unter der 18 Meter hohen Zirkuskuppel erteilte er der Vorstellung der Zahlen-Dompteuse die Bestnote. An Wärme durch Verpflegung schliesslich mag der Fricker Gemeinderat Franz Ruder gedacht haben, als er die Bedeutung einer ausgewogenen Gewerbestruktur für die Gemeinde Frick in einem an Kürze kaum zu überbietenden Satz darlegte und die applaudierende Versammlung ans Buffet entliess.